Friedrich Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker

Warum jetzt diesen Dürrenmatt gelesen? Weil es ein Zufall war. Ein Stapel Bücher, nie wirklich betrachtet. Unscheinbarer Einband, dunkel, schmales Taschenbuch. Ich weiß nicht genau, was meine Aufmerksamkeit erregt hat. Vielleicht der Name Dürrenmatt. Wobei die erste Assotiation „dürr“ und „matt“ war (Spässle). Einmal in die Hand genommen sah ich, dass es eine Schullektüre war, also irgendwann einmal Pflicht für jemanden. Der Richter und sein Henker. Na, da wollte ich es wissen. Vorweg genommen, dieses Büchlein ist weder dürr noch matt sondern eher saftig und stark. Ich möchte sogar sagen: es kann dich weiter bringen, es kann deinen  moralischen Leitplanken stärken und ausrichten.

duerrenmatt-richter-henker-titelEingepackt in eine Detektivgeschichte geht es um Gut und Böse. Es geht um das „benutzen“ von Menschen, es geht um die Frage, ob Verbrechen immer irgendwann (und auch per Zufall) aufgeklärt werden oder ob Verbrechen unerkannt bleiben können. Es geht um eine alte Wette und eine lebenslängliche Verfolgungsjagd. Dieser Horizont erwartet einen auf knapp 120 Seiten. Sprachlich ein Hochgenuss denn unter der Präzision eines Sprachgenies führt einen dieses Buch auch in die Zeit der 50iger Jahre führt. Das Auto wird „geführt“ und nicht gefahren, der Polizist ist ein „Kommisär“ und dann gibt es ganz starke Bilder: „Die Stadt lag da, eine weiße Muschel, das Licht aufsaugend, in ihren, Gassen verschluckend, um es nachts mit tausend Lichtern wieder auszuspeien, ein Ungeheuer, das immer neue Menschen gebar, zersetzte, begrub.“ Beeindruckend und lesenswert.

Es  ist herrlich wie Friedrich Dürrenmatt den Konflikt zwischen wissenschaftlicher und eher intuitiver Kriminalistik beschreibt. Der alte Kommissar mit seinem Gespür sieht sich der Herausforderung der neuen „amerikanisch“ geprägten Polizeiarbeit gegenüber. Aus heutiger Sicht, durch CSI-geprägt und den Erfolgen der DNA-Analysen bewußt nimmt sich das schon fast altertümlich an. Keine Spurensicherung am Tatort aber gute Eingebungen. Macht nichts. Es ist Fiktion und an diesem Krimi wird der Fortschritt so brutal deutlich.

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Das Buch ist nach wie vor hoch aktuell. Die moralischen Fragen, die Dürrenmatt aufgeworfen und diskutiert hat sind brennender denn je. Flüchtlinge, Umverteilung, Neo-Liberalismus, Privatsphäre um nur ein paar zu nennen. Alle diese Themen bedürfen höchst sorgfältiger Bearbeitung. Diese Themen müssen durch Gehirne wie das von Dürrenmatt gedreht werden um sie zukunftsweisend lösen zu können. Aber auch Gehirne wie die unseren, die an solchen Texten wachsen (können).

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