Nur wer nicht Bahn fährt kennt diesen Satz nicht: Wegen einer Störung im Betriebsablauf haben wir (viele Minuten) Verspätung. Von diesem Satz gibt es tausende Variationen: wegen Zugfolge, wegen verspäteter Einfahrt in den Bahnhof, wegen Zugewendeverspätung, etc. – eigentlich alles Euphemismen für „irgendeiner hat Mist gebaut“. Manche mehr, manche weniger intelligent, manche sogar eine Beleidigung für die Durchschnittsintellekt. Systemische Rhetorik der Bahn.
Doch obwohl diese Sätze so dämlich rüberkommen haben diese Ansagen Methode: Rolf Dobelli, Autor des Buches „Die Kunst des klugen Handelns“ nennt das die Begründungsrechtfertigung. Zurück geht diese Erkenntnis auf ein Experiment von Ellen Langer aus den 70iger Jahren. In einer Bibliothek wartete sie bis sich vor dem Kopierer eine Schlange gebildet hatte. Wenn Sie diesen Satz vorbrachte: „Entschuldigen Sie. Ich habe 5 Seiten. Würden Sie mich bitte vorlassen?“ machte man ihr selten Platz. Wenn Sie aber an den Satz noch ein „Ich bin in Eile“ anhing bekam sie fast immer den Vortritt.
Wir sind Begründungs-Junkies. Immer wenn etwas – wie auch immer – begründet wird fällt es uns leichter dem Wunsch zu folgen oder dem Vortragenden zu glauben. Das Wörtchen „weil“ macht den Unterschied. Und deshalb funktioniert auch die „Störung im Betriebsablauf“-Ansage. Es ist doch klar, halt eine Störung…
Ich habe Sorge, dass sich damit niemand einen Gefallen tut. Je öfter wir solche sinnlosen Sachen hören, desto bereitwilliger glauben wir andere, vielleicht wesentlich gefährlichere Begründungen. Weil wir es eben so oft hingenommen haben. Und ich denke hier an das oft in der Politik verwendete Zauberwort „alternativlos“. Man muss das und das tun weil es alternativlos sei – Schwachsinn. Es gibt immer eine Alternative – weil das eben so ist (Spässle). Also bitte: gehen Sie mit Begründungen sorgfältig um. Sie wissen jetzt wie es (nicht) geht 😉
Übrigens ist das Buch von Rolf Dobelli unbedingt lesenswert – weil man danach die Welt viel besser versteht.